- Im Zuge der israelisch-palästinensischen Feindseligkeiten haben Metas Richtlinien und Systeme zur Inhaltsmoderation Stimmen, die Palästina auf Instagram und Facebook unterstützen, zunehmend unterdrückt.
- Soziale Medien sind eine wichtige Plattform für Menschen, um Zeugnis abzulegen und sich offen gegen Missstände auszusprechen; die Zensur von Meta verhindert, dass das Leid von Palästinenser*innen sichtbar wird.
- Meta sollte freie Meinungsäußerungen auf seinen Plattformen zulassen und seine Richtlinien überarbeiten, um diese mit den Menschenrechtsstandards in Einklang zu bringen und sie gerecht und diskriminierungsfrei zu gestalten.
(New York, 21. Dezember 2023) - Durch die Richtlinien und Systeme zur Inhaltsmoderation des Unternehmens Meta werden im Zuge der Feindseligkeiten zwischen den israelischen Streitkräften und bewaffneten palästinensischen Gruppen die Stimmen zur Unterstützung Palästinas auf Instagram und Facebook zunehmend unterdrückt, so Human Rights Watch in einem heute veröffentlichten Bericht. Der 51-seitige Bericht, „Meta’s Broken Promises: Systemic Censorship of Palestine Content on Instagram and Facebook“ dokumentiert Muster der unzulässigen Entfernung und Ausblendung von Posts, die von der Meinungsfreiheit geschützt sind. Hierzu gehören friedliche Äußerungen zur Unterstützung Palästinas und öffentliche Debatten über die Menschenrechte von Palästinenser*innen. Human Rights Watch fand heraus, dass das Problem auf mangelhafte Meta-Richtlinien und deren nicht einheitliche und falsche Umsetzung sowie auf ein übermäßiges Vertrauen in automatisierte Tools zur Moderation von Inhalten und unzulässigen Einfluss der Regierung auf die Entfernung von Inhalten zurückzuführen ist.
„Metas Zensur von Inhalten, die Palästina unterstützen, verschärft die Lage der Palästinenser*innen in einer Zeit, in der sie bereits unterdrückt werden und ihnen unvorstellbare Gräueltaten widerfahren“, sagte Deborah Brown, stellvertretende Direktorin für Technologie und Menschenrechte bei Human Rights Watch. „Soziale Medien sind eine wichtige Plattform für Menschen, um Zeugnis abzulegen und sich offen gegen Missstände auszusprechen. Metas Zensur trägt dazu bei, dass das Leid der Palästinenser*innen nicht sichtbar wird.“
Human Rights Watch hat 1.050 Fälle von Online-Zensur aus über 60 Ländern untersucht. Auch wenn sie nicht zwingend eine repräsentative Analyse der Zensur darstellen, stimmen die Fälle mit der jahrelangen Berichterstattung von palästinensischen, regionalen und internationalen Menschenrechtsorganisationen überein, welche die Zensur durch Meta von Inhalten, die Palästinenser*innen unterstützen, detailliert beschreiben.
Seit dem von der Hamas geführten Angriff in Israel am 7. Oktober 2023, bei dem nach israelischen Angaben 1.200 Menschen, überwiegend Zivilist*innen, getötet wurden, kamen durch israelische Luftangriffe und eine Blockade des Gazastreifens nach Angaben des dortigen Gesundheitsministeriums mehr als 18.000 Palästinenser*innen ums Leben, was zu einer anhaltenden humanitären Katastrophe für die 2,2 Millionen Einwohner*innen geführt hat.
Human Rights Watch hat sechs zentrale Muster der Zensur identifiziert, die jeweils in mindestens 100 Fällen vorkommen: Entfernung von Inhalten, Sperrung oder Löschung von Konten, die fehlende Möglichkeit, sich mit Inhalten zu befassen, die fehlende Möglichkeit, Konten zu folgen oder zu markieren, Einschränkungen bei der Nutzung von Funktionen wie Instagram/Facebook Live und „Shadow Banning“, ein Begriff, der eine erhebliche Verringerung der Sichtbarkeit von Beiträgen, Stories oder Konten einer Person ohne entsprechende Benachrichtigung bezeichnet. In über 300 Fällen konnten die Nutzer*innen der Löschung von Inhalten oder Konten nicht widersprechen, weil der Widerspruchsmechanismus nicht funktionierte und sie somit keinen wirksamen Zugang zu einem Rechtsbehelf hatten.
In Hunderten der dokumentierten Fälle berief sich Meta auf seine Richtlinie „Dangerous Organizations and Individuals“ (DOI), welche die von den Vereinigten Staaten aufgestellten Listen „terroristischer Organisationen“ vollständig berücksichtigt. Meta hat sich wiederholt auf diese Listen berufen und sie pauschal angewandt, um legitime Äußerungen über die Feindseligkeiten zwischen Israel und bewaffneten palästinensischen Gruppen einzuschränken.
Meta hat zudem seine Richtlinien über gewaltvolle und explizite Inhalte, Gewalt und Aufwiegelung, Hassreden sowie Nacktheit und sexuelle Aktivitäten falsch angewandt. Meta hat seine Politik der „berichtenswerte Inhalte“ inkonsequent angewandt. So wurden Dutzende von Beiträgen entfernt, die dokumentieren, wie Palästinenser*innen verletzt oder getötet werden, was durchaus berichtenswert ist, so Human Rights Watch.
Meta ist bekannt, dass die Durchsetzung dieser Politik mangelhaft ist. In einem Bericht aus dem Jahr 2021 dokumentierte Human Rights Watch die Zensur von Facebook bei der Diskussion von Rechtsfragen in Bezug auf Israel und Palästina und warnte, dass Meta „viele Menschen willkürlich und ohne Erklärung zum Schweigen bringt“.
Eine unabhängige Untersuchung, die von Business for Social Responsibility durchgeführt und von Meta in Auftrag gegeben wurde, kam zu dem Ergebnis, dass die Inhaltsmoderation des Unternehmens im Jahr 2021 „offenbar negative Auswirkungen auf die Menschenrechte palästinensischer Nutzer hatte“ und „die Fähigkeit der Palästinenser beeinträchtigte, Informationen und Erkenntnisse über das zu teilen, was sie erlebt haben“.
Im Jahr 2022 verpflichtete sich Meta als Reaktion auf die Empfehlungen nach der Untersuchung sowie auf die Hinweise des Meta Oversight Board, eine Reihe von Änderungen an seinen Richtlinien und deren Umsetzung bei der Moderation von Inhalten vorzunehmen. Fast zwei Jahre später ist Meta seinen Verpflichtungen jedoch nicht nachgekommen und hat es versäumt, seiner menschenrechtlichen Verantwortung gerecht zu werden, wie Human Rights Watch feststellte. Die nicht eingehaltenen Zusagen von Meta haben frühere Muster von Menschenrechtsverletzungen wiederholt und verstärkt.
Human Rights Watch teilte Meta seine Erkenntnisse mit und bat um eine Stellungnahme. In seiner Antwort berief sich Meta auf seine menschenrechtliche Verantwortung und die grundlegenden Menschenrechtsprinzipien, die seit dem 7. Oktober die Grundlage für seine „Sofortmaßnahmen zur Krisenbewältigung“ bilden.
Um seiner menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht nachzukommen, sollte Meta seine Richtlinien und Praktiken zur Moderation von Inhalten mit den internationalen Menschenrechtsstandards in Einklang bringen. Zudem sollte Meta sicherstellen, dass Entscheidungen über die Löschung von Inhalten transparent und einheitlich erfolgen; diese Entscheidungen sollten nicht auf Voreingenommenheit basieren oder zu breit greifen.
Meta sollte auf seinen Plattformen freie Meinungsäußerungen zulassen, auch über Menschenrechtsverletzungen und politische Bewegungen, so Human Rights Watch. Das Unternehmen sollte ferner seine Politik in Bezug auf gefährliche Organisationen und Personen überarbeiten, um sie mit internationalen Menschenrechtsstandards in Einklang zu bringen. Meta sollte zudem seine Politik zu „berichtenswerten Inhalten“ überprüfen, um sicherzustellen, dass keine Inhalte entfernt werden, die im öffentlichen Interesse liegen; die gerechte und diskriminierungsfreie Anwendung der Politik sollte sichergestellt werden. Ferner sollte Meta die Auswirkungen der vorübergehenden Änderungen an seinen Empfehlungsalgorithmen, die es als Reaktion auf die jüngsten Feindseligkeiten eingeführt hat, im Hinblick auf die Menschenrechte prüfen.
„Anstelle von müden Entschuldigungen und leeren Versprechungen sollte Meta zeigen, dass es dem Unternehmen ernst damit ist, die Zensur im Zusammenhang mit Palästina ein für alle Mal zu beenden und konkrete Schritte in Richtung Transparenz und Abhilfe unternehmen“, so Brown.